15. Reisetag

Sonntag, 15. März 2015: Franz Josef Glacier-Haast

Dichter Nebel umhüllte das Hotel unterhalb der Ortschaft Franz Josef, als ich nach dem Frühstück losfuhr. Zuvor hatte ich noch mit der jungen Frau gesprochen, die von morgen früh bis abends spät an der Reception und im Restaurant immer anwesend war und mir gestern den Hotel-PC zur Verfügung stellte, weil der Internetzugang über das WLAN nicht funktionierte. Es fiel mir auf, dass sie perfekt Französisch sprach und sich mit einer Angestellten auf Spanisch unterhielt, was nicht gerade typisch für Neuseeländer ist. In der Tat kommt sie aus Paris und will ein Jahr lang in diesem Hotel arbeiten, dann sucht sie etwas Neues. Ein grösserer Kontrast ist kaum vorzustellen: Eine Grossstädterin findet ihren Wunschjob im neuseeländischen Niemandsland!

Das Dorf Franz Josef lag ausserhalb des Nebels, es hatte noch ein paar Restwolken von der Nacht, und die Helikopter flogen auch schon wieder. Dass diese Ortschaft den Namen von Franz Josef trägt, kommt von einem österreichischen Expeditionsleiter, der seinem Kaiser mit der Namensgebung der Ortschaft eine Freude erweisen wollte. Auch die andere Gletscherortschaft Fox Glacier ist ein künstlich geschaffener Name.

Nach Franz Josef lag der Nebel wie eine Wand über dem Meer:

21 kurvenreiche Kilometer später erreichte ich Fox Glacier, wo ich wieder zum Lake Matheson fuhr. Im Gegensatz zu gestern Abend zeigten sich die beiden Bergspitzen des Mt. Cook und des Mt. Tasman, aber die Luft war relativ dunstig und das Licht nicht vergleichbar mit den getrigen Verhältnissen. Offenbar gehört es wirklich zu einer Neuseelandreise, dass man bei gutem Wetter den Lake Matheson aufsucht, um DIE Aufnahme zu machen, die in eine Neuseelandsreise-Sammlung gehört. Jedenfalls waren schon viele Parkplätze belegt, als ich eintraf. Nach rund 20 Minuten Fussmarsch erreichte ich die Stelle, wo die Garantie am grössten ist, dass die beiden Bergspitzen auf der spiegelglatten Seeoberfläche reflektieren. Dort wurde geknipst, gefilmt und diskutiert in vollem Mass. Auch ich machte meine Fotos, blieb dann aber noch länger an der Fotostelle. Je länger ich wartete, desto klarer kamen die beiden Berge zum Vorschein. Ein feines Lüftchen gab der sonst spiegelglatten Seeoberfläche immer wieder eine feine Struktur, so dass es ohnehin Geduld für das hundertprozentige Gelingen der Aufnahme brauchte.

Da ich nicht im Zeitdruck war, blieb ich an der Fotostelle etwa 45 Minuten und verfolgte das Kommen und Gehen. Von einem Geheimtipp zu sprechen, wäre hier völlig daneben, denn viele Touristen merkten es, dass die schnell erreichbare Aussichtsplattform am See nicht den gleich guten Blick gewährte, dass also der längere Marsch an diese etwas verborgene Stelle nötig ist. Der See muss absolut ruhig sein, damit sich die Berge spiegeln, und dies war nur im hinteren Teil des Sees der Fall, wo eben ein zwanzigminütiger Fussmarsch erforderlich ist.

Ich umrundete denn kleinen See auf dem komfortablen Wanderweg (mit Laufstegen) und bestieg mein bereits stark aufgewärmtes Auto. Etwa drei Kilometer weiter ausserhalb des Lake Matheson gibt es einen Viewing Point, von dem aus der Fox Glacier und natürlich die schneebedeckten Berge zu sehen waren.

Berge, die höher und imposanter als Mt. Cook sind, haben wir in der Schweiz in viel grösserer Anzahl. Das Spezielle hier ist, dass die Gletscher fast bis zum Meeresniveau reichen und vor allem durch den dichten Regenwald führen.

Die Fahrt nach Haast, ca. 130 km, führte in weiten Teilen durch den Regenwald, so dass es nur auserwählte Stellen gab, wo man die Südalpen erblickte. Diese Stellen waren grösstenteils die Flussübergänge mit den stets einspurigen Brücken. Daher stoppte ich beim Fox River, beim Karangarua River und beim Jacobs River für Fotos.

An der Bruce Bay führte die Hauptstrasse Nr. 6 direkt ans Meer, wo nebst mir viele andere Reisende einen Halt einlegten. Die Wellen, die das tasmanische Meer heranspühlte, waren eindrücklich.

Es folgten dann noch weitere Flussübergänge, so z.B. der Mahitahi River und der Paringa River.

Beim Knights Point muss die Hauptstrasse 6 einen Gebirgsausläufer überqueren, daher findet man an der schönsten Stelle einen Aussichtspunkt, wo der Blick auf die Klippen zu geniessen ist. Dies war wieder einmal eine Gelegenheit, einen kurzen Halt einzulegen.

Wenige Kilometer weiter südlich, wo die Landschaft wieder flacher ist, macht der interessierte Tourist bei Ships Creek einen nächsten Halt. Ein Strand mit Sanddünen und Felsformationen ist die Attraktion. Auch ich legte dort wieder einen Halt ein, um ein paar Schritte zu gehen und ein paar Bilder zu machen. Leider fühlte sich dort die Sandfly, eine kleine Fliege, die wie die Mücken bei uns zusticht, sehr heimisch. Jedenfalls war es nicht leicht, die winzig kleinen Fliegen immer von den freien Hautflächen fernzuhalten. Dabei habe ich schon genügend Einstiche, die mich jucken.

Bis zu meinem Tagesziel Haast war es nun nicht mehr weit. Haast selber besteht aus ein paar Häusern, ein Hotel, ein Motel, eine Tankstelle und ein kleiner Supermarkt. Mein Motel, wo ich über booking.com gebucht hatte, lag etwa 11 km ausserhalb im Niemandsland entlang der Strasse zur Jackson Bay. Ich bezog mein Appartement und fuhr dann noch die rund 30 km bis zur Ortschaft Jackson Bay und zurück, da der Abend sehr sonnig war und ich entlang den Südalpen und der Küste noch ein paar Bilder machen wollte. In Haarst Beach mussten ein paar Ponys als Vordergrund hinhalten, dann folgten weitere schöne Flussüberquerungen, bis ich im ruhigen, verträumten Ort Jackson Bay eintraf.

Die Rückfahrt nach Haast erfolgte fast ohne Fotohalt, und dank der grösstenteils schnurgeraden Strasse kam ich auch gut vorwärts. Ansonsten kann es in Neuseeland immer wieder passieren, dass eine auf der Landkarte kurze Distanz in Tat und Wahrheit dann effektiv doppelt so lange sein, weil die Strasse so viele Kurven macht.

Ich fuhr bis nach Haast ins "Ortszentrum" zum Supermarkt und kaufte dort noch ein paar Sachen ein. Das Motel, wo ich übernachtete, war ausschliesslich auf Selbstversorger eingestellt, und in meinem Survival-Paket, das ich in meinem Auto mitführe, fehlten noch Frühstückssachen.

Da die Brücke über den River Haast, mit 750m länge die längste Einspurbrücke in Neuseeland, gerade in der Nähe war, befuhr ich diese, bevor ich zum Motel zurückgelangte. Es gab ausser mir keine anderen fahrende Autos in der Umgebung, so dass ich sogar mitten auf der Brücke Fotohalte einlegen konnte.

Im Motelappartement genoss ich zunächst die Fish & Chips, die ich im Supermarkt gekauft hatte, dann folgen wieder die täglichen Aufgaben und das Ordnen meiner Sachen.

Nachfolgend die Reiseroute des 15. März. Der Pfeil auf der Grafik zeigt den Standord des Motels in Haast an.

Jetzt wäre eigentlich Redaktionsschluss für diesen Reisetag gewesen. Ich lag schon im Bett und merkte plötzlich, dass ich noch etwas aus meinem Auto brauchte. Als ich draussen stand, war ich überwältigt vom Sternenhimmel. Hier in diesem Niemandsland war es so stockdunkel, dass so viele Sterne zu sehen waren, wie ich es in meinem Leben noch nie erlebte. Schon lange wollte ich einmal sogenannte "Deep-Sky-Aufnahmen" machen, d.h. Sternenaufnahmen, wo auch die Milchstrasse sichtbar wird. Mit der richtigen Einstellung des Fotoapparats können Abermillionen von Sternen aufgenommen werden, die von blossem Auge gar nicht zu sehen sind, und selbst die Milchstrasse (oder ein Teil davon) lässt sich aufnehmen. Es werden dann Phänomene wie Sternenebel sichtbar gemacht.

Um den Aufnahmen noch etwas mehr Drammatik zu verleihen, nahm ich Büsche und Bäume oder Berge mit aufs Bild, während ich im Lauf der 15 Sekunden langen Belichtungszeit mit der Taschenlampe die Büsche anleuchtete. So etwas bei uns zu machen, wäre völlig undenkbar. Es machte richtig Spass, um Mitternacht noch mit dem Fotoapparat zu experimentieren.